THF 20.30 – Initiative stellt Vision für gemeinwohlorientierte Randbebauung am Tempelhofer Feld vor
Idee . Entwurf . Internationaler Wettbewerb
Konzeptidee „Grüner Hügel“ soll Freifläche wahren und neuen Lebensraum für bis zu 8.000 Menschen schaffen – Finanzierung über Genossenschaftsmodell
Es entsteht eine Idee, die einfach mit dem Horizont verschmilzt. Nicht als disruptive architektonische, vermeintliche Großleistung, sondern als bewusste, leise Antwort, welche die Einzigartigkeit dieses Ortes respektiert und fördert.
Angesichts des anhaltenden Stillstands bei der Entwicklung des Tempelhofer Feldes (THF) hat eine Initiative um den Marketingexperten Martin Fritz (MFMK) und den Architekten Klaus Fehrenbach 2024 ein detailliertes Konzept mit dem Titel „THF 20.30“ vorgelegt. Die Vision soll den Geist des Volksentscheids von 2014 („Keine Bebauung“) respektieren und dennoch dringend benötigten Wohn- und Lebensraum schaffen. Der Ansatz zielt darauf ab, die „Veto-Situation“ durch einen partizipativen Relaunch aufzubrechen.
Kernkonzept: „Grüner Hügel“ statt Hochhäuser
Der Kern des Vorschlags ist eine Begrenzung der Bebauung auf den Randbereich, während die zentrale Freifläche von 355 Hektar im Wesentlichen unangetastet bleibt. Als „Bebauung und doch keine Bebauung“ sieht das Konzept keine dominierenden Hochbauten vor. Stattdessen sollen sich terrassierte, drei- bis viergeschossige Baukörper als „Grüne Hügel“ oder „Hängende Gärten“ in die Landschaft einfügen. Diese Bauten sollen die bestehende Baum- und Gebäudekulisse nicht überragen und so den Weitblick über das Feld erhalten.
Architektur im Dienst der Ökologie
Architektonisch prägendes Element ist das sogenannte „Grüne Spalier“. Eine intensiv begrünte „Haut“ soll die Gebäude umschließen und als aktive Klimapufferzone, thermische Isolierung sowie ökologischer Schallschutz dienen. Das gesamte Areal soll nach dem „Schwammstadt“-Prinzip entwickelt werden, inklusive unterirdischer Zisternen zur Regenwassernutzung für Bepflanzung und Brauchwasser. Die Energieversorgung ist durch einen Mix aus Photovoltaik, Solar- und Geothermie als nachhaltiges Gesamtsystem geplant, das „Energieeffizienz nach neuestem Stand der Technik“ bieten soll.
Gemeinwohl-Modell statt Spekulation
Ein zentraler Punkt der „THF 20.30“-Philosophie ist das Finanz- und Organisationsmodell. Die Initiatoren lehnen einen Verkauf der landeseigenen Grundstücke ab. Stattdessen soll die Stadt Berlin die Flächen ausschließlich über Erbbauverträge zur Verfügung stellen. Die Umsetzung der Bauvorhaben soll nicht durch gewinnorientierte Investoren, sondern durch Genossenschaften oder Baugruppen erfolgen. Ziel ist das „Wohl der Allgemeinheit“ und die Schaffung eines „einzigartigen urbanen Gemeinwohl-Lebens-Raums“. Die GLS-Bank hat bereits qualifiziertes Interesse für ein solches Modell bekundet.
Skalierbarer Lebensraum für Tausende
Das Konzept ist modular in neun Bausegmente von je ca. 300 Metern Länge gegliedert, die in den Randbereichen des Feldes positioniert werden. Die Präsentation rechnet zwei Szenarien vor:
Drei-Etagen-Variante: Schaffung von ca. 112.000 m² Wohn- und Nutzfläche. Dies entspräche rund 1.700 Einheiten (bei durchschnittlich 65 m²) für 4.500 bis 6.000 Bürger.
Vier-Etagen-Variante (Optional): Schaffung von ca. 193.000 m² Wohn- und Nutzfläche. Dies böte Platz für ca. 2.700 bis 3.000 Einheiten für 6.000 bis 8.000 Bürger.
Der neu geschaffene „Kiez“ soll multifunktional sein und neben Wohnen auch Flächen für Kleingewerbe, Ateliers, Gastronomie, Kultur sowie soziale Infrastruktur wie Schulen und Kitas integrieren.
Strategisches Potenzial für Berlin
Fritz und Fehrenbach positionieren ihr Projekt als „Leuchtturm-Vorhaben“ mit internationaler Signalwirkung. Sie argumentieren, „THF 20.30“ könne Berlin als nachhaltiges Olympiadorf für eine mögliche Bewerbung 2036 oder 2040 dienen. Alternativ sei eine Nutzung als Kerngebiet für eine Internationale Bauausstellung (IBA) oder eine EXPO (z.B. 2035) denkbar. Darüber hinaus biete das Projekt die Chance, als Pilotprojekt für „Schnelles Bauen in Berlin“ zu fungieren und dabei neue rechtliche Rahmenbedingungen (explizit genannt wird §246e BauGB) und digitale Planungsprozesse zu erproben.
Über die Initiatoren und die Entstehungsgeschichte
Die Initiative geht auf den Marketingexperten und Berliner Bürger Martin Fritz (Gründer MFMK, Herausgeber LUST AUF GUT Berlin) zurück. Die Kernidee entstand 2019 aus einer persönlichen Inspiration auf dem Tempelhofer Feld: die Vision einer Bebauung, die sich „leise“ in den Horizont einfügt und die Weite des Ortes respektiert.
Fritz, der sich als „Aktivist für GUTes“ versteht, entwickelte erste Skizzen, die er 2022 dem Architekten Klaus Fehrenbach (Gründungspartner archis Karlsruhe, „Aktivist für soziale Planung“) präsentierte. Fehrenbach erkannte das Potenzial des Laien-Entwurfs und ermutigte zur Weiterverfolgung.
Nach zahlreichen Dialogen mit Interessensgruppen (2022-2024) zur Optimierung des Konzepts (Arbeitstitel: „Deutschland … „braucht mehr Kopenhagen“„) wurde Martin Fritz auch zur Teilnahme am Ideenwettbewerb Tempelhofer Feld der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen vom 03. Dezember 2024 eingeladen. Für die Einreichung taten sich Fritz und Fehrenbach mit dem renommierten Berliner Büro Vielmo Architekten und Andreas Brummell, Landschaftsarchitekten zusammen. Die Vision wurde aufgegriffen und als Wettbewerbskonzept weiterentwickelt und eingereicht.
Nächste Schritte und Dialogangebot
Die Initiatoren betonen ihre parteipolitische Unabhängigkeit und handeln als „Bürger für Berlin“. Sie suchen eine „strategische Zusammenarbeit“ mit der Stadt Berlin, um die Planung von Anfang an gemeinsam weiterzuentwickeln. Als nächster konkreter Schritt wird eine weitere „Bürgerwerkstatt“ vorgeschlagen, um die Ergebnisse des Wettbewerbsverfahrens kooperativ weiter zu entwickeln.